Manchmal steckt das Leben voller Überraschungen. Und der Marathon in Stettin war eine kleine Bühne für ebensolche.
Der Stettiner Marathon findet erst seit ein paar Jahren in dieser nächtlichen Form statt und erfreute sich dieses Jahr erneut großer Beliebtheit. Es ist kein allzu großer Marathon, aber die Startplätze waren dieses Jahr schon vor dem Meldeschuss ausgebucht. Denn das Limit lag offiziell nur bei 1500 Teilnehmern und darunter fielen auch die Teilnehmer des Halbmarathons, die zeitgleich mit den Teilnehmern des Marathons starteten.
Der besondere Reiz an diesem Marathon ist, dass er tatsächlich mitten in der Nacht stattfindet. Der Start war am späten Samstagabend auf 23 Uhr angesetzt worden und manch ein langsamerer Teilnehmer kam sicherlich erst bei Morgendämmerung ins Ziel. Für mich war die Ankunftszeit nach den 42 Kilometern aber noch kurz vor 3 Uhr nachts. Aber nicht nur für mich! Denn dort traf ich auf meine Lauffreundin Iwona, die mit Ihrer Familie Urlaub an der Ostsee und bei Gelegenheit einen ersten Stopp für den Marathon in Stettin machte. Wir hatten erst bei einem Gespräch nur einige Zeit vorher zufällig erfahren, dass wir beide dort starten. Und so war die Überraschung perfekt, dass man sich ungeplant irgendwo 600 km weit weg zufällig beim Marathonlaufen wieder trifft. Da ich diesen Marathon als einen Trainingslauf absolvieren wollte, hatte ich mich entschlossen Iwona über die ganze Distanz zu begleiten und sie bei ihrem Ziel, eine gute Zeit zu schaffen, zu unterstützen. Trotz der ungewohnten nächtlichen Uhrzeit, des nicht einfachen Streckenprofils und auch noch der Tatsache, dass sie zuvor am gleichen Tag erst von zuhause angereist war, verdient sie den allergrößten Respekt für diese Leistung, die sie im Anschluss auf dem Stettiner Asphalt gezaubert hat. Sie hat bis zum Schluss gekämpft und sogar ihre persönliche Bestzeit vom schnellen Berlin-Marathon geknackt. Herzlichen Glückwunsch!
Wir wurden zudem aber auch lautstark an der Strecke unterstützt. Und da bin ich auch schon bei der zweiten Überraschung. Wer sich noch an den Bericht über den diesjährigen Europamarathon in Görlitz an der polnischen Grenze erinnert, der weiß, dass ich dort eine besondere Marathonläuferin kennengelernt habe, die auf dem guten Weg ist, nächstes Jahr ihren 100. Marathon zu laufen. Katharina folgte meiner Einladung nach Stettin mitzukommen, um den Marathon mitzumachen. Leider war dieser schon zu diesem Zeitpunkt ausgebucht, aber sie hatte trotzdem Lust mitzukommen und so haben wir sie auf dem Weg in Berlin eingesammelt. Sie und mein Neffe, der sich mit mir auf die kurze Reise begeben hat, waren unsere lautesten und motivierenden Zuschauer an der Strecke! Die Nacht in Stettin wurde zum Tag gemacht!
Der Marathon in Stettin ist leicht anspruchsvoll. Man meint es nicht, aber er ist leicht hügelig und der eine oder andere Anstieg ist etwas herausfordernd - erst recht bei einem Marathon. Die Stecke ist ein Rundkurs, den man für die Marathondistanz zwei Mal durchlaufen muss. Start und Ziel befindet sich im Florian Krygier Stadion, wo sonst der Erstligist Pogoń Stettin seine Fußballspiele ausrichtet. Es herrschte eine besondere Atmosphäre auf dem Rasen kurz vor dem Startschuss eine Stunde vor Mitternacht. Tatsächlich erklang um 23 Uhr aber keine Startschusspistole sondern passend zu Stettin ein lautes Schiffshorn, welches äußerst beeindruckend klang und den vielen Teilnehmern eine unvergessliche Stimmung bescherte. Auf den ersten Kilometern führte die Strecke durch die Innenstadt entlang einiger Sehenswürdigkeiten. So zum Beispiel auf der Uferpromenade entlang der Oder mit Blick zur linken Seite auf die Wały Chrobrego (dt. Hakenterrasse), ein bekanntes Wahrzeichen der Stadt Stettin und ihren historischen Gebäuden im Hintergrund, und zur rechten Seite auf das beleuchtete Riesenrad, welches auf der anderen Seite der Oder über einen kleinen Freizeitpark ragt.
Bei etwa Kilometer 6 kommt aber das Highlight der Stecke. Die Strecke führte durch die Stettiner Werft, ein ehemaliges Schiffsbauunternehmen. Zu der Werft gibt es sonst keinen Zugang. Nur für den Marathon wird die Werft für die Läufer geöffnet. Dabei werden die Gebäude, Hallen und gigantischen Kräne in den unterschiedlichsten Farben illuminiert. Es war ein sehr beeindruckender Anblick zwischen den hohen Kränen zu laufen.
Danach wird die Strecke etwas unspektakulär, ab hier kann man sich mehr auf seinen Körper und den eigenen Lauf konzentrieren. Auf der zweiten Runde wurde es dann auch noch deutlich leerer auf der Strecke, da die Halbmarathonis nach der ersten Runde sich bereits im Ziel feiern lassen konnten. Auf Grund der späten Uhrzeit, waren bis auf ein paar Ausnahmen nicht besonders viele Zuschauer an der Strecke, und wenn, dann eher auf der ersten Runde.
Erschöpft nach knapp 3 Stunden und 47 Minuten, ließen wir uns dann auch im Ziel feiern. Zufrieden mit der tollen Zeit, mit den tollen Erlebnissen und dem besonderen Nachlauf. Als Krönung gab es eine tolle Medaille, die richtig was her machte. Darauf ist ein Werftkran zu sehen, der an der Stelle eines Greifers einen Bernstein hat. Sehr typisch für die Ostsee. Definitiv eine der schönsten Medaillen in meiner kleinen Sammlung. Nach dem Zieleinlauf gab es noch Erinnerungsfotos und ein geselliges Beisammensein von uns vieren. Und der Veranstalter hatte für die Teilnehmer zum Stärken und Aufwärmen auch noch warmes kostenloses Essen vorbereitet. Zwar leider keine Bratwürstchen, aber immerhin Pasta mit zwei unterschiedlichen Soßen. Das tolle Marathon-Nachterlebnis endete dann irgendwann morgens früh im Bett, wo von weiteren Läufen geträumt werden durfte...